Entries tagged as Toleranz
Sunday, October 31. 2010
Nachdem mich Meister Frattini aus Italien gerade schon zur Weißglut gebracht hat mit seinem christlich-fundamentalistischen Geschwurbel, ist mir wieder dieser Unsinn eingefallen, den die CDU kürzlich in einem Antrag für den Bundesparteitag im November vorgelegt hat. Zu lesen gab's den im SPON-Artikel "CDU-Spitze beschwört die deutsche Leitkultur" am 20.10.2010:
"Unsere kulturellen Werte, geprägt durch eine christlich-jüdische Tradition, der sich die CDU besonders verbunden fühlt, und historischen Erfahrungen sind die Grundlage für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und bilden unsere Leitkultur. [...] Wir erwarten von denjenigen, die zu uns kommen, dass sie diese respektieren."
Hallo? Hab ich in 13 Jahren Schulbildung und weiteren 20+ Jahren irgendwas verpasst? Lag ich im Koma und keiner hat's mir gesagt??
Wie darf ich denn unsere christlich-jüdische Tradition der letzten 1000+ Jahre verstehen?
- Neonazis propagieren offen Antisemitismus, bedrohen Juden, beschmutzen und beschädigen Synagogen und jüdische Friedhöfe und werden viel zu selten vor einen Richter geschleift und zu entsprechenden Strafen verknackt.
- Ein gewisser Herr Hitler pflegte in den 30er und 40er Jahren ja einen besonders innigen traditionellen Umgang mit unseren jüdischen Mitbürgern (man möge mir diesen sarkastischen Euphemismus verzeihen).
- Martin Luther, unser großer Reformator hat sicher viel Gutes für die Entwicklung der Gesellschaft in Mitteleuropa getan, aber auch er entwickelte sich zu einem blühenden Antisemiten!
- Wie lange haben die deutschen Kaiser den Juden das Ausüben eines "normalen" Berufs oder Handwerks verboten, so dass sie nur als Geldwechsler und -verleiher, Pfandleiher, Kaufleute und Ärzte ihren Unterhalt verdienen konnten? Wenn ich ein armer Bauer im 15. Jahrhundert gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich auch meinen jüdischen Geldverleiher gehasst, bei dem ich Schulden gehabt hätte, auch wenn der gar nicht Schuld daran war, dass ich überhaupt Schulden hatte, sondern wohl eher mein christlicher Lehnsherr.
Und nachdem "die Teutschen" die Juden in Mitteleuropa so vorbildlich integriert haben, kommt Ihr von der CDU daher und redet von unserer christlich-jüdischen Tradition? Ja, habt Ihr denn den Schuss nicht gehört?
Bevor hier jemand von einer solchen Tradition reden kann, sollte in Deutschland erst einmal jede(r), unabhängig von Religion oder - wie so schön von Thilo Sarrazin hervorgekramt - Rasse sic rumlaufen und seine oder ihre Religion ausüben dürfen, wenn er oder sie denn unbedingt meint, dass das so sein muss (nur weil ich Atheist bin, heißt das nicht, dass ich anderen nicht ihre Religionen gönne, solang sie mich damit in Ruhe lassen).
Liebe CDU, macht doch einfach mal Eure Hausaufgaben, bevor Ihr den Schnabel aufreißt und die Leute mit solchem ausgemachten Unsinn vor den Kopf stoßt.
Thursday, July 8. 2010
Es ist schon kurios, wie manche Leute das Ergebnis des Volksentscheids in Bayern zum Nichtraucherschutz auslegen.
So liest man bei frank.geekheim.de:
"In einer Gesellschaft, in der ungesundes Verhalten des Einzelnen nicht mehr geduldet werden kann, weil er ja das Kollektiv der Zahlungspflichtigen schädigt, sind die Plompomplomschen Illusionen einer rundum besseren Gesellschaft durch ubiquitäre Datenverfügbarkeit endgültig geplatzt.
Objektivierung und Effizienzwahn bei der Durchsetzung von Kleinstadtmoralvorstellungen sind nunmal die natürlichen Feinde von Freiheit und Glück."
Werter Frank, es geht bei diesem Entscheid nicht um den Schutz des Rauchers vor sich selbst, sondern um den Schutz des Nichtrauchers vor dem Rauch des Rauchers. Ich bin mir zudem nicht mal sicher, ob ein Raucher das "Kollektiv der Zahlungspflichtigen" weitaus mehr schädigt als ein Nichtraucher, ist dessen Lebenserwartung doch statistisch gesehen kürzer, auch wenn sein Ableben u. U. etwas teurer kommt als das eines Nichtrauchers.
Und wenn wir schon über Freiheit sprechen: Die Freiheit eines einzelnen beginnt endet dort, wo die des anderen beginnt. Und der Nichtraucher wie der Raucher hat das Recht auf körperliche Unversehrheit (GG Art. 2 Absatz 2). Ich denke, ein Nichtraucher gesteht einem Raucher dieses Recht eher zu als anders herum. Wenn der Raucher sich selbst schädigen will, steht ihm das natürlich frei, solang er dabei keinen Nichtraucher schädigt.
Saturday, June 19. 2010
Kristina Schröder (CDU), unsere Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wird im Handelsblatt zitiert, sie wolle eine Frauenquote im Management von großen Unternehmen erzwingen. Die feminine Seite des Standard.at verpackt das in einen etwas schärferen Artikel.
Der Ansatz, dass weitaus mehr Frauen Einfluss auf die Führung großer Unternehmen haben sollten, leuchtet mir völlig ein und findet auch meine volle Zustimmung. ABER: Wie sollen diese Unternehmen solch eine Quote sinnvoll realisieren?
In vielen Branchen wird das sicher wenig problematisch sein, weil generell auch mehr Frauen in diesen tätig sind und logischerweise mehr weibliches Personal vorhanden ist, das die Karriereleiter bis ins Management hinaufsteigen könnten. Aber wie steht es um Branchen, in denen der Frauenanteil generell sehr niedrig ist? Wie sollen solche Unternehmen solche Quoten erfüllen können? Man wird ja kaum weder mehr Frauen in diese Branchen pressen noch diese wenigen Frauen dann in den Vorstand treiben können.
Mir ist schon klar, dass sich gewiss sehr viele Geschäftsführungen damit schwer tun, Frauen in ihrer Mitte aufzunehmen oder ihnen generell überhaupt Chancen einräumen, den Weg nach oben einzuschlagen und das es dort unbezweifelt Handlungsbedarf gibt. Ich bin absolut für Chancengleichheit und gegen Bevorzugung. Aber neben der Ungleichbehandlung von Frauen in Unternehmen (im negativen Sinne) liest man auch des Öfteren, dass viele Frauen, obwohl fachlich absolut dazu fähig, lieber die Fäden aus dem Hintergrund ziehen und bewusst nicht im Blitzlichtgewitter stehen - und dabei ausgezeichnete Arbeit leisten. Was passiert also, wenn nicht genug Frauen ganz nach oben wollen? Wem wird dann die Schuld in die Schuhe geschoben?
Ich sehe eher Potential zur Verbesserung, wenn man nicht die Quote per Gesetz regulieren wollte, sondern mehr Augenmerk darauf legt, dass Diskriminierung nicht mehr passiert, entweder unter Anwendung bestehenden Rechts oder durch neue, geeignete gesetzliche Regelungen. Der Weg nach oben sollte unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, spiritueller oder sexueller Neigung frei sein, aber nicht per Quote erzwungen werden.
Ich sehe da gewisse Parallelen zu einem Problem in der Piratenpartei. Dort ist die sogenannte "Gender-Frage" ein ständiger Quell der Verwirrung. Immer wieder werden Stimmen laut, es gäbe zu wenige Frauen in den verschiedenen Gremien. Aber wenn sich dann die Kandidaten für diverse Ämter zur Wahl stellen, finden sich weit weniger Frauen als Männer ein. Aber wie wählt man Frauen in ein Amt, wenn sich kein weiblicher Kandidat für diese Wahl findet?
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Friday, June 18. 2010
Ich lese gerade das Interview der sueddeutsche.de mit Frau Dagmar Schipanski über ihre Entfernung als Wahlfrau aus der Bundesversammlung durch ihre Landtagsfraktion in Thüringen. Sie wird also keine Stimme mehr bei der Wahl des nächsten Bundespräsidenten haben.
Der Grund für diese Aktion ist schon ausreichend hanebüchen, hat sie doch nur verlautbaren lassen, dass sie beide bisher zur Wahl gestellte Kandidaten als tauglich für das Bundespräsidentenamt hält. Die Tatsache, dass sie sich nicht ganz offen gegen den Kandidaten von Rot-Grün, Joachim Gauck, ausgesprochen hat, war wohl Grund genug.
Was mich aber viel mehr an dem Text irritiert, ist der Begriff "Fraktionszwang", denn dieser verstößt (in Deutschland) gegen Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Interessant finde ich besonders den Hinweis im Wikipedia-Eintrag zum Fraktionszwang, dass "[i]nsbesondere bei Gewissensentscheidungen (wie zum Beispiel bezüglich Schwangerschaftsabbruch und der Verlängerung der Verjährungsfrist von NS-Verbrechen) [...] durch die Fraktionsführung in der Regel die Abstimmungen freigegeben [werden] und jeder Abgeordnete [...] seine eigene Entscheidung fällen [muss]."
Dazu fallen mir zwei Dinge ein:
- Muss oder eher darf der/die Abgeordnete bei Abstimmungen, die sein/ihr Gewissen nicht "belasten", keine eigene Entscheidung fällen, überlässt also das Denken und Entscheiden einfach jemand anderem?
- Wenn der Fraktionszwang offiziell und offensichtlich verfassungswidrig ist, warum gehört er dann zum politischen Alltag?
Mir leuchtet schon ein, dass eine Partei, wenn sie ihr Programm durchsetzen will, an einem Strang ziehen muss und dass sich so etwas in einem einheitlichen Verhalten bei Abstimmungen widerspiegelt. Aber genau hier sollte sich doch jede/r Abgeordnete intensiv überlegen, ob er/sie tatsächlich in der richtigen Partei respektive Fraktion ist, wenn er/sie sich immer der Meinung anderer unterwerfen muss, die über ihm/ihr stehen und meinen, den Ton ansagen zu müssen. Die Person, die sich so an Abstimmungen beteiligt, hat ihre Gewissen schon über Bord geworfen. Hier stellt sich die Frage, welche/r Bürger/in sich gerne von einem Gewissenlosen vertreten sehen möchte. Und ebenso sollte sich die Partei als solches Gedanken machen, ob sie ihren Mitgliedern Dinge/Entscheidungen abverlangen kann, die deren Gewissen belasten.
Bei diesen Gedanken sehe ich Demokratie irgendwie nur noch durch ein Teleskop.
Sunday, July 26. 2009
Braunschweig lebt in Angst und Schrecken, denn subversive Zellen von Spontan-Picknickern haben sich als ungeahnte, wenn auch nur potentielle Gefährdung der öffentlichen Sicherheit herausgestellt. Entsprechende Maßnahmen wurden ergriffen, um den bürgerlichen Frieden wiederherzustellen und größeren Schaden von der Braunschweiger Plastersteininfrastruktur abzuwenden.
Ich kann mir gut vorstellen, wie am 8.8.2009 von Mittag bis Sonnenuntergang diverse Hundertschaften von Undercover-Bereitschaftspolizisten in Form von Straßenkehrern, Würstl-, Zeitungs- und Rosenverkäufern zu Wochenendarbeit verdonnert werden, um der bagette-verschlingenden und weintrinkenen Massen freiheitsliebender Braunschweiger Einhalt zu gebieten.
Hoffentlich verfügt das Land Niedersachsen über ausreichend viele Grünen Minnas, um die Menschenmassen der Gerichtsbarkeit und der verdienten Strafe zuführen zu können.
[Update 2.8.2009 12:23]
Ich habe mir gerade nochmal den oben verlinkten Artikel auf der Zunge zergehen lassen. Da steht ja auch u. A. eine Forderung, ich zitiere:
3) Der öffentliche Raum in Braunschweig dient ausschließlich dem
Verkehr, also dem Transfer von Wohnung a zu Wohnung b, von Wohnung a zu
Geschäft b oder von Geschäft a zu Geschäft b.
Da stellen sich mir direkt einige Fragen:
- Ist das überhaupt rechtens, die Bewegungsfreiheit der Bürger derart einzuschränken?
- Wurde der Begriff "öffentlicher Raum" kürzlich neu definiert? Ich ging bisher davon aus, dass der öffentliche Raum für jedermann frei zugänglich wäre.
- Wer entscheidet, wo A und B sind? Dürfen die auch beweglich sein?
Monday, March 2. 2009
Ich war müde und heute war viel los ... ok, es ist meistens was los in der Firma, deshalb geh ich da auch immer wieder hin. Aber das Nervenkostüm ist halt abends auf dem Heimweg etwas dünner und man hat den Kopf voller Sachen, die man nicht vergessen will ... insbesondere, wenn man später noch das eine oder andere erledigen muss. Außerdem würde ich von mir behaupten, dass ich recht besonnen bin und nicht so leicht aus der Haut fahre. Und als ich mich in der S-Bahn so umblickte, war ich mir sehr sicher, dass es nicht nur mir so ging. Wenn ich und mit mir einige andere Fahrgäste nicht zu dem Zeitpunkt hätten aussteigen können, als wir es konnten, wären wir beinahe in einen rasenden Mob mutiert und hätten sie beinahe gelyncht. Sie sprach in doppelter Zimmerlautstärke in einer sehr aufdringlichen Stimmlage und versucht im Kinderjargon einem toten Pferd zu erklären, was ein Notebook ist ("Das ist sowas wie ein kleiner Computer!"), dass sie besagtes Notebook erst später ("wenn ich es gekauft habe") vorbei bringen und ihr (das zunächst angenommene "tote Pferd" erwies sich als ihre Oma) zeigen kann, wie DAS NOTEBOOK "aufgebaut ist und da ist ein Stromkabel dran", aber erst, wenn sie "beim Arbeitsamt (Anm. d. Red.: gemeint ist die Bundesagentur für Arbeit, sie war eigentlich zu jung, um den Begriff Arbeitsamt noch zu kennen) war, weil die Schweine ihr das Geld nicht zahlen" wollten. Mir fielen mindestens acht Augenpaare auf, die sie zu durchbohren versuchten und eigentlich hätte sie schon aussehen müssen wie eine totalperforierte Voodoo-Puppe. Aber das Frollein war zu mindestens 124% schmerzbefreit. Beim Aussteigen konnte ich von mehreren Seiten hören, wie diverse Mitfahrer und -innen merklich aufgestauten Druck abließen (Nein, es hatte nichts mit Flatulenz zu tun). Von nun an werde ich nur noch mit einem tragbaren EMP-Generator S-Bahn fahren.
Monday, December 22. 2008
Sorry, liebe Amerikaner, dass Ihr schon wieder herhalten müsst, aber ich habe kein deutsches/europäisches Pendant dazu gefunden. Aber die Vereinigten Staaten von Amerika titulieren sich ja gerne als "the land of the Free". Es ist nur immer wieder seltsam, wie unfrei die Amerikaner sind. ein schönes Beispiel ist der Kommentar von Keith Olbermann von MSNBCs "Countdown" vom 10. Nov. 2008 zum Thema "Proposition 8" mit dem Titel "This is about the human heart", auf den ich heute Abend aufmerksam gemacht wurde.
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Tuesday, September 30. 2008
Ich hab heute Abend mal meine Zeit damit verschwendet, ein bisschen die Medien abzugrasen, was den Wahlkampf in den US of A angeht, nachdem das Bohei in Bayern ja gerade abgeklungen ist (ok, 'ne Landesregierung will ja noch gebildet werden, aber das ist eine ganz andere Geschichte). Ganz besonders ist mir dabei die Nominierung von Gov. Sarah Palin zur potentiellen Vizepräsidentin durch "Ich bin fast schon tot"-John McCain aufgestoßen. Dabei hat mich ein Interview mit Matt Damon zu diesem Thema, auf welches ich bei Youtube gestoßen bin, sehr erfreut. Man kann nur hoffen, dass sich mehr Leute zu Herzen nehmen, was er dort zu sagen hat.
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